Schein des Schicksals
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Sie schaute mich an - ohne Vorbehalt, ohne Berechnung, ohne Angst. Nur verwundert und neugierig. 
Dabei bin ich ein wildfremder Mensch für sie, den sie nie vorher in ihrem kurzen Leben gesehen hatte. 
Keiner von uns bewegte sich. Kein Wort war gefallen, seit dem sie mich auf der Wiese sitzend gefunden hatte. 
Schon lange habe ich nicht die Gelegenheit gehabt, einem Menschen so anzusehen 
und dabei nicht darüber acht geben müssen,
 welche Hintergedanken mein Gegenüber womöglich hegen könnte. 
Mit welch unschuldigem Blick können Kinder die Welt anschauen. 
Nur schade dass es nicht mehr lange dauern wird, bis ihre Augen List und Berechnung gewinnen. 
Doch mit der Reinheit konnte man in diesem harten Leben nicht überleben. 
Ich selbst würde nur zu gerne die Zeit zurück drehen und wieder ein Kind sein, mein Leben genießen, 
ohne Schmerz und Angst, ohne Hektik und Gedanken über das Sein.  
Wer bist du ? - fragte sie endlich und setze sich auf dem Boden. 
 Stanislaw ist mein Name - sagte ich leise und lächelte sie zärtlich an. 
- Ich heisse Elena - sagte sie begeistert - Was machst du eigentlich hier? 
- Ich beobachte die Welt. - Erzähle! sagte sie und sah mich dabei mich erwartungsvoll an. 
Ich lächelte zuerst nur. Es war still und dunkel. Nur im Hintergrund war Musik zu hören. 
Am Haus gegenüber wurde gefeiert und das Mädchen war dort zu Hause. 
(Was sonst würde erklären, dass sie noch nicht im Bett schlief?). 
Ich konnte im Garten einen Mann und eine Frau erkennen, sie tanzten,
 noch ein paar Leute saßen am gedeckten Tisch, wahrscheinlich Verwandte. 
Der kalte Mondschein ließ Elenas Gesicht gespenstisch grau-weiß erscheinen. 
Dann aus einem innerlichen Verlangen näherte ich mich dem Mädchen und setze mich neben sie. 
Dann zeigte ich mit meinem Finger in den Himmel und sagte: 
- Sieh dir den Himmel an, die Sterne, den Mond und die Milchstrasse. - Ich verstummte. 
Dann schaute ich sie kurz an. Elena bemerkte es nicht und beobachtete den Himmel. 
Siehst du auch den hellen Stern da? - fragte ich nach eine Weile 
und zeigte auf den hellsten Stern am Himmel. - das ist der Mars. Er ist sehr nahe an die Erde gekommen, 
so dass man schon mit kleinen Sehhilfen die Einzelheiten an der Oberfläche erkennen kann. 
Etwa wie wir den Mond mit bloßem Auge sehen. Es ist der hellste Stern am Himmel. 
Elena sagte nichts. Ich bemerkte erstaunt dass meine rechte Hand auf ihrer Schulter lag. 
Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich sie umarmt habe. 
 Weißt du, ich beobachte den Himmel schon lange. Eigentlich schon die ganze Zeit. 
Jede Nacht bevor ich schlafen gehe schaue ich in den Himmel und beobachte die Sterne. 
Wenn man die Sterne lange anschaut, dann merkt man, dass das Licht der Sterne nicht gleichmäßig ist, 
sondern in der Intensität variiert oder so gar kurz verschwinden um gleich wieder aufzutauchen. 
Es wäre so, als würden sie zu dir sprechen. Als versuchten sie dir etwas mitzuteilen, ja den Weg zu weisen. 
Viele Tage bin ich schon auf meinem Weg und jeden Tag haben die Sterne zu mir gesprochen. 
Elena! - kam ein Ruf aus der Richtung des Hauses. Die Musik wurde ausgestellt und paar Leute sammelten Geschirr ein. 
Eine Frau stand am Zaun und rief ihre Tochter - Elena ... komm her, mein Engel! 
 Ich muss gehen - sagte das Mädchen und lief nach Hause. Sie hat mich schon vergessen. 
Ich schaute ihr traurig nach. Dann sah ich die Frau an. Ob sie mich bemerkt hatte? Ob sie mich erkannte? 
Nein, in der Dunkelheit und aus der Ferne konnte sie das natürlich nicht. 
Ich nahm ihr das nicht übel. So viel Zeit war vergangen, seit wir uns das letzten Mal begegnet sind. 
Ich habe schon so viel Schmerzen erlitten, dass ich die Stiche in meinem Herzen nicht mehr spüre. 
Dann dachte ich an eine Sache, die mir aufgefallen ist, seit dem ersten Blick: 
Etwas sehr bekanntes - ich erkannte die Grundzüge in ihrem Gesicht. 
Eigentlich hat mein Unterbewußtsein schon längst signalisiert, 
aber erst jetzt begriff ich wem die Gesichtszüge gehörten - ich sah sie jeden Tag im Spiegel..... 
Nach so vielen Jahren, nach einem langem Weg, nach mehr als zwei tausend Kilometern Reise, 
nach so viel gelassener Kraft, wurde mir zum ersten mal warm ums Herz, 
denn ich habe meine Tochter gesehen, ja sogar umarmt habe ich sie.