Schweizer Brauchtum und Volksfeste
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Vom Tisch auf Böcken zur festlichen Tafel
Was heute bei festlichen Gelegenheiten eine Selbstverständlichkeit ist - ein schön gedeckter Tisch - war noch vor gar nicht allzu langer Zeit unbekannt. Auch der Verwendungszweck von Tischtuch und Serviette hat sich im Laufe der Jahrhunderte geändert. Noch immer gilt jedoch ein mit Stofftischtuch und Stoffservietten gedeckter Tisch als Zeichen einer gehobenen Tafelkultur.

Vom Boden weg!
Unsere Sitte, am Tisch zu essen, ist noch gar nicht so alt. Erst als der Mensch sesshaft wurde, erhob er sich zum Essen vom Boden.

Anfangs war der Raum, in dem man ass, mit wenigen Möbeln bestückt: Bänke und einfache Hocker zum Sitzen. Dazu kamen Truhen, die Vorläuferinnen unserer Schränke. Der Tisch fiel kaum auf; er war von schlichter Form und zerlegbar. Die Stube, der einzige beheizte Raum neben der Küche, wurde vielfältig genutzt; ein praktischer Tisch war notwendig. Die heute noch bekannte Redewendung «Die Tafel aufheben» weist darauf hin, dass nach beendeter Mahlzeit die Tischplatte aufgehoben und die Böcke weggetragen wurden.

Gegen 1500 wurden für die Vermögenden kunstvolle, fest montierte Tische hergestellt. Dies zeigt auch, dass ein bestimmter Raum immer weniger Funktionen erfüllen musste; die Räume erlebten nun eine Spezialisierung. Mit der Zeit verband man die Bänke fest mit dem Täfer an der Wand. Der Ort des Essens im Raum selbst war nun festgelegt.

Giessfass und Waschbecken
Da in der Regel mit den Fingern gegessen wurde, oft gemeinsam aus der gleichen Schüssel, war es vor und nach dem Essen notwendig, die Hände zu waschen. Das «Giessfasskensterlein», ein turmartiges, schmales Möbel mit Giessfass und Waschbecken, diente dazu. Daneben hing ein Handtuch

Vom Tischläufer zum Damasttischtuch
Tischtücher waren seit dem 14. Jahrhundert ein wichtiger Bestandteil der Aussteuer. Deren Material, Verzierung und Anzahl gaben einen Hinweis auf die soziale Stellung der Besitzerin. Tischtücher waren Gebrauchsgegenstände, und heute sind in den Museen nur noch spezielle Stücke zu finden.

Die einfachste Art des Tischtuchs war ein Tischläufer, auf dem die Schüsseln abgestellt wurden. Verziert wurden die Tücher im 16. und 17. Jahrhundert mit Stickereien: Ornamenten, Pflanzen, Tieren, Alltagsgegenständen und Familienwappen.

Hergestellt wurden die Leinentischtücher in der Schweiz, die teureren aus Damast kamen z.B. aus Haarlem (NL). Die Erfindung des mechanischen Webstuhls machte Damasttischwäsche billiger, und im 19. Jahrhundert fand man sie dann auch auf dem bürgerlichen Tisch.

Das Tischtuch als Serviette
Die Tischsitte von 1530 betrachtete das Ablecken der fettigen Finger oder das Abwischen am Rock als unanständig. Es wurde empfohlen, lieber das Tischtuch oder, falls vorhanden, die Serviette zu verwenden. Mit dem Tischtuch wurden auch Löffel und Messer abgewischt.

Ab dem 16. Jahrhundert kam die Serviette vermehrt zum Einsatz. An der fürstlichen Tafel wurde sie kunstvoll gefaltet. Sie erfüllte zuvor schon eine weitere Aufgabe: Beim Hereintragen der Speisen diente sie zum Festhalten der Deckel. So waren die Hände vor der Hitze des Gefässes geschützt.

Während des Mahls lag die Serviette übrigens nicht auf dem Schoss, wie es heute üblich ist. Sie wurde entweder über die Schulter oder über den Unterarm gelegt und war so gross wie ein heutiges Handtuch und von länglicher Form

Serviette zum Schutz prächtiger Kleider
100 Jahre später war die Serviette auch beim Bürgertum verbreitet. Im 18. Jahrhundert wurde sie an den Kleidern angesteckt. Die Damen verwendeten dazu eine Nadel, die Herren befestigten sie an einem Knopfloch der Weste. Nun diente die Serviette dazu, die Kleider zu schützen, und nicht mehr, um Mund und Hände abzuwischen.

Auf dem Land hielten sich die alten Bräuche länger. Jeremias Gotthelf berichtet, dass in den 1840er Jahren der Löffel immer noch mit dem Tischtuch abgewischt wurde. Servietten kamen nur zu speziellen Anlässen auf den Tisch.

Noch heute ist die Stoffserviette Zeichen einer gehobenen Tafelkultur. Papierservietten sind zwar praktisch, optisch können sie jedoch nicht mit Stoffservietten mithalten.